Tierheim Interview – Saara & Skippy

Neuntes Interview.
Tierheimtier-Besitzer berichten über die ersten Tage mit ihren Schützlingen. Das folgende Interview ist Teil einer Serie, zu der ich noch Interviewpartner suche. Wie immer freue ich mich über euer Feedback zum Gespräch auf der Facebookseite oder direkt hier.

Saaras Hund Skippy ist 6 Jahre alt und kommt aus Spanien.

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Foto: Privat/Skippy Ahoi

1. Wie bist du dazu gekommen, einen Hund zu adoptieren? Wie bist du auf ihn aufmerksam geworden und wo hast du ihn entdeckt?
Ich habe mein erstes Studium abgebrochen und wusste nicht, wie es nun für mich weiter gehen soll. Ich hatte das Gefühl, mich in meiner persönlichen Entwicklung in einem luftleeren Raum zu befinden. Wo ist oben und wo unten? In welche Richting geht es jetzt?
Da kam mir ganz plötzlich der wilde Gedanke in den Kopf, dass ein Hund jetzt irre cool wäre! Ich hatte zwar noch nie einen und ich hatte auch nie viel mit Hunden zu tun, aber egal, ich fühlte, dass das jetzt genau das richtige für mich war.

Die Webseiten der deutschen Tierheime in meiner Nähe waren nicht schön und dort waren auch meist nur wenige, oft große Hunde zur Vermittlung ausgeschrieben.
Ich wusste, dass es ein Hund sein muss, den ich körperlich händeln können muss.
Ich entdeckte die Webseiten der ausländischen Tierheime, welche schön, informativ und voller ansprechender Fotos der Hunde waren. Die Auswahl an Hunden war sehr groß und die Ansprechpartner waren sehr bemüht ihre Tiere zu vermitteln und so stand für mich fest, dass es ein Hund aus dem Ausland wird.

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Foto: Privat/Skippy Ahoi

2. Welche Ängste oder Sorgen hattest du vor der Adoption und wie hast du dich auf seine Ankunft vorbereitet?
Ich hatte eine riesige Angst, alles falsch zu machen. Ich hatte vorher noch nie einen Hund gehabt. Ich wusste nur, dass man sie füttern, mit ihnen raus gehen und sie erziehen muss.
Deshalb habe ich viele Bücher zur Vorbereitung gelesen. Da mein Mann mit Hunden aufgewachsen ist, hat er mich beruhigt und gesagt, dass sich alles entwickeln wird und ich in die Rolle der „Hundemama“ hineinwachsen werde.
Ich hatte auch eine große Angst davor, dass der Hund von seiner Persönlichkeit und seinem Energielevel nicht zu uns passt. Wir kannten den Hund nur von Fotos und von den Beschreibungen der Pfleger. Aber die kennen auch nicht jedes Tier ganz genau, da es so viele sind und laut den Beschreibungen ist ja fast kedes Tier angeblich totaaaal lieb. Außerdem verhalten sich Hunde in solchen Settings ganz anders, als in einer entspannteren Umgebung.

3. Wie war der erste Tag mit ihm?
Es war merkwürdig plötzlich einen „Fremden“ im Haus zu haben. Ich kannte den Hund ja nicht und er konnte mir nichts über sich erzählen. Wir mussten uns erst kennenlernen und aneinander gewöhnen.
Ich habe in der ersten Nacht nur mit einem geschlossenen Auge geschlafen. Ich habe auf jedes Mikrogeräusch gelauscht. Ich wusste ja nicht mal, ob unser neuer Mitbewohner stubenrein ist.
Ich habe mich die ganze Zeit gefagt, was er wohl jetzt denkt und fühlt. Ist er verwirrt, weil er jetzt plötzlich woanders ist? Freut er sich, dass er an einem anderen Ort ist oder hat er vielleicht geliebte Personen und Hundekumpels zurückgelassen. Ist ihm warm genug? Hat er Hunger oder Bauchweh?
Ich fühlte mich einfach hilflos und hätte gerne gewusst, woher er kommt und warum er im Tierheim gelandet ist. Vielleicht war er gar kein ungeliebter Streuner und er ist nur durch einen dummen Zufall im Tierheim gelandet und nun vermisst ihn jemand ganz schrecklich.

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Foto: Privat/Skippy Ahoi

4. Was hat er als erstes angestellt?
Also eigentlich war er von Anfang an sehr lieb, hat Regeln sofort akzeptiert und war fast ganz stubenrein.
Leider stellte sich schnell raus, dass er total unverträglich mit Artgenossen ist. Er hat glaube ich Angst vor anderen Hunden. Und bevor diese ihm was tun, macht er lieber gleich den dicken Macker und kläfft sie an.

Ich würde mir heute wohl keinen Hund nur vom Foto aussuchen. Außerdem würde ich von Anfang an mit einem kompetenten Trainer zusammenarbeiten. Skippys Artgenossenaggression ist ein riesen Problem bei uns und frustriert uns sehr.
Außerdem würde ich mir ganz genau überlegen, ob ich mir einen Hund, den ich nicht kenne, in ein Mehrfamilienhaus hole. Skippy hat die erste Zeit immer geheult, wenn er alleine war und die Nachbarn haben sich oft beschwert, was zu Konflikten führte und letztendlich unter anderem auch deswegen zum Umzug.

5. Drei Eigenschaften, an denen du immer wieder erkennst, dass er aus einem Tierheim kommt.
1. Er hat Angst vor anderen Hunden
2. Er dreht sich oft im Kreis
3. Er fühlt sich schon durch Blicke eingeschüchtert

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Foto: Privat/Skippy Ahoi

6. Würdest du wieder einen Hund adoptieren?
Ja! Ich liebe Hunde und es gibt sooo viele tolle Hunde, die ein Zuhause brauchen.
Ein Leben ohne Hunde kann ich mir gerade nur schwer vorstellen.

Aber z.B. muss nicht jeder Hund von der Straße „gerettet“ werden. Viele Hunde leben ein glückliches und entspanntes Leben in einem Streunerrudel und es fällt ihnen schwer sich in einem Leben mit Leine, Haus und Menschen, die ständig was von einem wollen, zu akklimatisieren.
–> Da sagst du was! Genau aus dem Grund habe ich angefangen, an meinem Projekt zu arbeiten.
Bei einem Welpen aus dem Tierheim/Tierschutz weiß ich natürlich auch nicht genau, was ich bekomme. Ich wäre tot unglücklich, wenn sich herausstellt, dass der Hund sehr viel Energie und einen sehr starken Jagdtrieb hätte.
Deshalb würde ich mir wahrscheinlich einen erwachsenen Hund aussuchen (auch gerne einen Alten).
Mir ist ein entspanntes und ruhiges Miteinander sehr wichtig. Ich möchte mit meinem Hund wandern, Reisen und ihn überall mit hin nehmen. Ich möchte nicht 300x den Ball werfen und ständig die Gegend nach Eichhörnchen filzen müssen oder den Hund gar nur an der Leine führen können.
Also es gibt bestimmte Faktoren, die für mich einfach passen müssen, damit das Zusammenleben gut klappt. Meinen Mann habe ich ja auch nicht nach dem ersten Date geheiratet.
Aber wenn es insgesamt kompatibel ist, dann ist es die meiste Zeit harmonisch.

7. Wie hat sich dein Leben durch den Hund verändert?
Alles hat sich verändert!
-Ich habe mich selbst ganz neu kennengelernt.
-Ich habe meine Liebe zu Hunden entdeckt. Ernsthaft, ich habe nicht ansatzweise geahnt, wie Hundeverrückt ich bin!
-Mein Hund hat mich sogar in meiner Berufswahl beeinflusst (Hundefotografin).
-Er hat mein Leben entschleunigt und es gleichzeitig so viel bunter, aufregender und witziger gemacht.
-Ich übe jeden Tag Geduld, Konsequenz und Selbstvertauen.
-Ich übernehmen das erste Mal in meinem Leben ernsthaft Verantwortung und das gibt mir Kraft, auch andere Dinge in meinem Leben zu meistern.
-Ich fühle mich, wenn mein Mann und ich getrennt unterwegs sind, nie einsam, da ich den Hund immer mitnehme.
-Skippy verbreitet überall gute Laune und ich komme mit Leuten in Kontakt, die ich sonst nie kennen gelernt habe. Außerdem sind diese Menschen immer super freundlich, weil sie meinen Hund einfach niedlich finden und sie dadurch gute Laune bekommen.
-Auch körperlich bin ich super fit, durch die vielen Gassigänge.
-Ich wusste nicht, dass ich ein Naturliebhaber bin, bevor ich einen Hund hatte. Nun weiß ich, dass ich mich draußen im Wald richtig gut erholen kann und dort immer Inspirationen bekomme und ständig neues entdecke.

Mein Leben wurde insgesamt um viele neue Facetten bereichert und meine Persönlichkeit hat sich stark entwickelt.

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Foto: Privat/Skippy Ahoi

Und zum Schluss, welche Tipps hast du für zukünftige Tierbesitzer?
Ich würde mir keinen Hund aufgrund eines Fotos aussuchen. Man weiß ja doch nicht, was man bekommt.
Wenn man sich noch nicht gut auskennt mit Hunden, sollte man von Anfang an mit einem guten Hundetrainer zusammenarbeiten. Vielleicht sogar mit ihm gemeinsam den passenden Hund auswählen.
Man sollte sich wirklich, wirklich überlegen, ob der Hund ins Leben passt und ob man sich 100%ig sicher ist, dass man dem Hund gerecht werden kann.
Außerdem sollte man Durchhaltevermögen und viel Geduld haben und wissen, dass man die mentale Stärke hat, mit dem Hund durch schwierige Zeiten zu gehen und ihn nicht gleich wieder abgibt, wenn er mal Mist baut.

Man muss Teamfähig sein. Ja, man bildet ein Team mit seinem Hund und dafür benötigt man Kompetenzen.
Es ist auch wichtig, dass man eine gefestigte Persönlichkeit hat und mit sich selbst im Einklang ist. Nur so kann man den Hund gut führen, denn Hunde folgen keinen unsicheren Führern.
Dies ist besonders für unsichere Hunde wichtig, die vielleicht schon viele negative Erfahrungen gemacht haben und sich nun nach jemandem sehnen, der standhaft ist und dem Hund festen Halt im neuen Leben gibt.

Ansonsten viel Freude, denn du wirst viel über dich lernen und deine Stärken erkennen, aber der Hund wird dir auch ganz klar deine Schwächen zeigen. Mach dich darauf gefasst!
Für mich war und ist es immer noch eine tolle Erfahrung und ich wünsche jedem, der seinen ersten Hund bekommt, auch so etwas zu erleben.

 

Vielen Dank für die großartigen Fotos und eure Geschichte, Saara!
Allen Lesern kann ich wärmstens empfehlen, einmal auf ihrer Webseite Skippy Ahoi vorbei zu schauen und in verträumten Fotos zu schwelgen.