Ticos sind Workaholics

Ich habe Englisch mit den Kanadiern im Flur gesprochen.
Das letzte mal Englisch sprechen ist schon etwas her und sobald mich einer der Reisenden nach der Uni oder meinem Leben in San José fragt, switche ich, von mir unbemerkt, ins Spanische.
Wie viele Backpacker, fühle auch ich mich manchmal wie eine Kassette, die auf die oberflächlichen Fragen immer wieder gleich antwortet. Wenn man Glück hat, gerät man an ungewöhnliche Menschen aus der ganzen Welt, mit denen man auf einer Wellenlänge ist. Dann kann man über banale Fragen hinaus über die Welt diskutieren und seine Sicht hinterfragen. Genau das, was ich im Hostel Urbano in meinen ersten Wochen in Costa Rica schätzen gelernt habe.

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Mit dem vermutlich einzigen Tico im Bus bei der Hinfahrt hatte ich genau diese anderen Gesprächsthemen.
David interessierte es nicht einmal, warum ich in Costa Rica studiere, sondern was ich mit meinem Fotografie Studium bewirken will und warum ich mich für die Fotografie entschieden habe. Was meine Vision sei, was ich vor hätte und wozu das alles überhaupt.
Auch er möchte mit seiner Arbeit etwas bewirken. Er möchte mit seinem Ingenieurstudium Objekte verbessern und die Menschen zum Hinterfragen anregen.
Danke David!
Ein Tico, der sein eigenes Land noch nie verlassen und weniger bereist hat als ich, der mit seinen Eltern zehn Kilometer ausserhalb vom nächsten Dorf Cahuita lebt, versteht das Leben mehr als so mancher jugendliche Reisende. Ins Ausland würde er zwar gerne, besonders Europa und Japan interessieren ihn, aber für einige Monate von seiner Familie getrennt zu sein, das kann ich er sich nicht vorstellen.
Er arbeitet sechs Tage die Woche und studiert an seinem einzigen freien Tag von morgens neun bis abends neun an der Uni in San José. Dafür fährt er mittwochs nach der Arbeit fünf Stunden im Bus in die Hauptstadt, übernachtet bei einer Tante, und begibt sich Freitag Morgen wieder auf den Rückweg, um anschließend weiter zu arbeiten.
Die Aufgaben für die Uni?
Die erledigt er nach der Arbeit.
Ticos arbeiten sehr viel, sie sind ein sehr fleißiges Volk. Leider habe ich manchmal das Gefühl, dass sie nicht so effektiv sind und sich durch viel Bürokratie sehr viel Arbeit aufhalsen, welche dann in einem geringen Stundenlohn resultiert. Trotzdem sind sie fast immer guter Dinge und helfen einem freundlich weiter, wenn man eine Frage hat.

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