Letzte Woche habe ich einen kurzen Vortrag über mein Auslandssemester bei einer Infoveranstaltung für Abiturienten in der Dortmunder Uni gehalten und dann…
Ja, irgendwie kommt man nie aus dem Auslandssemester raus, zumindest ist das bei mir so. Denn einen Tag später, um 11:50 Uhr, landeten Tamara und Gaby in Düsseldorf. Tamara, meine beste Freundin aus dem Kunstfotokurs, mit der ich auch an meinem Geburtstag durch San José gestreift bin.
Damals hatte ich sie eingeladen, mich in Deutschland zu besuchen.
Jetzt nimmt sie dieses Angebot wahr.
Mein Rucksack aus Costa Rica, immer dabei.
Nun sitze ich in der Bahn Richtung Flughafen, pese durch den Ruhrpott und werde bald, ganz ganz bald, ein Stück meiner zweiten Heimat hier haben. Körperlos Reisen… nun scheint das zu passieren. Ohne digitale Gerätschaften und Internetportale.
Tamara wird mich Deutschland aus Tico Sicht sehen lassen. Welche Klischees gibt es über uns und werden wir sie bedienen?
Das Gate in Weeze öffnet sich: Eine junge Frau mit karamellfarbener Haut und langen dunklen Haaren fällt mir um den Hals, die andere kommt zögerlich nach. Gaby, Tamaras Freundin, und ich haben uns noch nie gesehen. Ob wir uns gut verstehen werden? Schließlich werden wir nun drei Tage aufeinander hocken. Wir verlieren keine Zeit und ich treibe die beiden zum Bus, denn der fährt nur einmal die Stunde und das ist in genau vier Minuten.
„Was für ein Ticket brauchen wir?“, fragen die beiden. Da ich mich nicht traue, ihnen zu gestehen, dass die Tickets für die beiden bis Dortmund mit Zwischenhalt in Düsseldorf mehr als 30 Euro kosten, habe ich nach ausführlicher Recherche schon vorher ein Tagesticket des VRR in der Preisstufe E gekauft. Ich bin nun Ticketprofi und könnte am Schalter der Bahn arbeiten!
In Costa Rica würde diese Fahrt in einem Reisebus schätzungsweise fünf Euro kosten.
„Wie viel Geld werden wir pro Tag brauchen?“, hatte Tamara mich vor einem Monat gefragt.
„Vielleicht 10-15 Euro…“, hatte ich geschätzt.
„Nein, nicht für alle Tage. Für einen Tag meine ich…“, hatte sie geantwortet.
Wir brausen mit dem Bus zum Bahnhof, dann pünktlich mit der Bahn bis Düsseldorf.
„Wir haben drei Minuten zum Umsteigen“, treibe ich die beiden weiter. Wir schleppen das Gepäck die Betontreppen hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf, laufen den Bahnsteig entlang und sitzen dann endlich in der Bahn.
„Kommen wir auch nach Amsterdam? Ich mag Holland„, erklärt Gaby. Die Entfernungen in Europa sehen auf Landkarten scheinbar kleiner aus, als sie sind. Ich erzähle den beiden von den Grachten Amsterdams, von Klein-Venedig, und zeige ihnen dann das platte Land, dass die Bahngleise umkreist und aus dem hie und da ein Backsteinbauernhof hervorlugt. Tamara bekommt einen Hustenanfall, während Gaby verträumt aus dem Fenster auf die diesigen Felder schaut.
„Wir haben uns in Florenz erkältet. Wussten nicht, dass das dort schon so kalt ist“, sagt Tamara und begibt sich auf die Suche nach ihren Hustentabletten. Beide sind bepackt mit zwei großen Taschen, die von Ryanair scheinbar noch als Handgepäck betrachtet werden. Damit sind sie von Valencia aus über Barcelona, Madrid, Paris, Rom, Florenz und nun bis Weeze gereist. In drei Tagen geht es zurück nach Valencia.
Wir sprechen Spanisch. Und es klappt besser, als ich gedacht hatte. Selbst nach sechs Monaten Sprachverkümmerung.
Ein halbes Jahr haben wir uns nicht gesehen, und Tamara ist mir vertraut wie damals. Freundschaften im Auslandssemester scheinen wahr zu sein.
Nach drei Stunden erreichen wir Düsseldorf, essen einen Döner, besuchen einen Karnevalsladen – die beiden haben noch nie Luftschlangen gesehen, wir kaufen eine Rolle – und trinken ein Uerige, in das die beiden sich auf der Stelle verlieben. Ich bestelle eine Rhabarber Limonade. Nein, nicht alle Deutschen lieben Bier.
„Und was ist das für eine Geschmacksrichtung in der Limonade? Rhabarber? Was ist das?“, wollen die beiden wissen, als sie an der Flasche nippen.
Wie erklärt man das denn bitte jemanden? Ich suche spanische Wörter und Fotos über mein Smartphone. Nein, sowas haben sie noch nie gesehen, aber die Limo schmeckt, dass ist die Hauptsache.
Es geht weiter nach Dortmund.
„Muss man das Ticket nie abstempeln? Und kommen denn keine Kontrolleure? In allen Metros gab es bisher Drehkreuze oder Stempelautomaten“, fragen die beiden, als wir in die U-Bahn einsteigen.
„Nein, das ist schon gestempelt. Die Bahn vertraut den Reisenden, aber das nutzen auch viele aus“, erkläre ich. Auch im Regionalzug und der U-Bahn werden wir nicht kontrolliert, wie schade.
Zu Hause angekommen, kochen wir mit meinem Freund Kartoffeln, Schnitzel und Buttergemüse. Dazu gibt es natürlich ganz deutsch eine Sauce. Wir entscheiden uns für Jägersauce, welche in den Ticadamen neue Glücksgefühle hervorruft.
Am Abend geht es in eine Dortmunder Kneipe – viel länger als geplant. Ob wir am nächsten Tag wieder fit waren?
-> Mehr Infos dazu schreibe ich Morgen, jetzt geht es erst einmal in die Uni, während die beiden leider schon wieder in Valencia sind, von wo aus sie zurück nach Costa Rica fliegen werden.
¡Que lástima!
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