1 Airbus A319, 4 Kapitäne, 1 Triebwerksmechniker, 1 Avioniker, 1 Organisatorin, 9 Flugschüler, ihre verschüchterten Familienmitglieder und 1 Wochenende in Rostock.
Zu Teil (1/3) der Serie über die Ausbildung zum Piloten.
Stellst du 9 Flugschüler vor ein Triebwerk, sind alle glücklich.
– Martin
Martins Mutter hingegen hat Respekt vor den 60 Tonnen Monstern, erst recht vor den Triebwerken. Sie hält Abstand.
Das Landetraining beginnt erst, nachdem die Truppe in Rostock Laage gelandet ist. Im Plan ist Martin erst für den nächsten Tag eingeteilt. In dreier Teams müssen die Schüler nach dem vom Flughafen organisierten Frühstück sofort in die Luft.
Müssen? Dürfen!
Wenn drei in die Luft gehen, heißt das auch, dass sechs warten müssen.
Die sechs und einige Eltern beobachten die ersten Landungen der Kollegen. Dabei entfernt der A319 sich manchmal so weit, dass er zu einer Fliege schrumpft, manchmal verschwindet er schier gänzlich.
„Da! Da ist er!“
Bis zum nächsten Morgen muss das vierte dreier Team warten. Für Martin, Alex und Johannes wird es ernst.
Während die Jungs das Flugzeug in Teamwork vorbereiten, folgen ihre Eltern dem Guide Holger Kann. Er kennt sich auf dem Geländer besser aus als niemand sonst. Er führt das Gefolge am Zaun des Flughafengeländes entlang zum olivgrünen Tower, dessen Gipfel sie erklimmen.
„Wenn ein Flugzeug nur langsam größer wird, dann fliegt es genau auf einen zu“, hatte Martin einmal beim Abendessen erklärt. „Das ist gefährlich, da kann man gar nicht einschätzen, wie schnell es wirklich ist.“
Am Horizont ist jetzt der Airbus zu sehen, er wird größer, näher und kommt tiefer. Die Gruppe zückt ihre Kameras.
„Wer da wohl jetzt fliegt? Ob das gut geht?“, fragt eine Mutter.
„Ich glaube Alex ist dran“, bemerkt seine Freundin. Sie verfolgt die Route des Flugzeuges auf dem Smartphone.
Die Maschine scheint in der Luft zu stehen, wächst dann ganz langsam in die Breite und nähert sich der Landebahn. Dann berührt sie mit einem dumpfen Geräusch den Boden. Qualmwolken steigen von den Hinterreifen auf. Die Maschine verliert an Geschwindigkeit.
„Flaps 3-2-Spoiler rein – Vollgas.“
Das Flugzeug heult laut auf und beschleunigt. Dann hebt es ab und lässt nur einen ohrenbetäubenden Lärm zurück. Wer die Finger nicht am Auslöser hat, drückt sie in die Ohren oder den Daumen in die Faust.
Touch and Go heißt das, hatten die Student Pilots gestern erklärt: Dabei übernimmt der Kapitän nach dem Aufsetzen auf der Landebahn die Schubhebel. Die Schubumkehrklappen müssen eingefahren bleiben. Anschließend wird Take-Off Go Around Power – volle Leistung gesetzt, um ohne wesentliche Verzögerung wieder starten zu können. Der Flugschüler hält dabei die laterale Führung des Fliegers in seiner Hand. Sobald er den Flieger wieder in die Luft rotiert, übernimmt er den Thurstlever wieder.
„Nein, jetzt hat Alex mir eine WhatsApp Nachricht geschickt. Das gerade war Johannes. Danach fliegt Martin und dann erst Alex“, bemerkt Alex’ Freundin, als die Maschine am Horizont zu einem Punkt geschrumpft ist. Sie lässt die Kamera sinken.
Ein Multivan mit blitzenden und blinkenden orangen Lichtern auf dem Dach steht am Fuß des Towers bereit. Die Familienmitglieder und Holger steigen ein.
Eine Rechtskurve, eine Linkskurve und ein Hase so groß wie ein Rehkitz hoppelt über den Weg. Bald erreichen sie das Ende des Flugplatzes.
„Das Flughafengelände ist eingezäunt, aber die Tiere, die hier leben, haben sich schon an den Fluglärm und die Landebahn gewöhnt. Einmal ist ein Wildschwein auf die Bahn gelaufen und hat sich ein Wettrennen mit einem unserer Kampfjets geliefert. Am Ende hat’s es pulverisiert“, erklärt Holger. Er war OTL a.D. bei der Bundeswehr. Wenn die Lufthansa Student Pilots ihr Landetraining in Rostock Laage absolvieren, packt er seinen Koffer, reist an und zeigt den Freunden der Schüler, wie so ein Airport funktioniert.
Draußen dröhnen die Triebwerke des Fliegers. Touch and Go, Touch and Go…
„Die Landung sah doch gut aus“, entscheiden die Gäste einstimmig.
„Die Autobahn in Rostock kann im Notfall zur zweiten Landebahn umfunktioniert werden. Das hier ist einer der vielen Militärflughäfen der DDR. Die meisten wurden nicht weiter aufgebaut, sind lediglich Prestigeobjekte. Rostock Laage hat sich durchgesetzt!
Sie fahren zurück zum Rollfeld und spazieren über die unendlich weit, fast schneeweiße Fläche. Nicht alle haben an die Sonnenbrille gedacht. Immer wieder setzt der A319 auf und startet erneut durch. Kleine Pausen auf der Landebahn lassen vermuten, dass die Schüler am Steuer tauschen.
„Wow, er fliegt eine Low Pattern!“ Holger starrt auf den Fleck am Himmel, scheint die Gäste vergessen zu haben. „Da befindet sich das Flugzeug lediglich 700 Fuß über dem Boden. Oh, das macht er aber gut, legt sich richtig in die Kurve. Also, wenn er jetzt nicht korrigiert… ne, er fliegt die direkt. Er korrigiert nicht, das ist richtig gut. Wow, klasse! Und jetzt landet er, oder er zieht durch. Nein, er landet! Super!“
Er dreht sich zu den stolzen Eltern.
„Das ist eine sehr schwierige Platzrunde. Man darf sich keine Fehler erlauben… Schafft das ein Student Pilot, gebührt ihm Respekt!“
Die Jungs winken aus dem Cockpit zum Rollfeld. Vor der Gangway, der Treppe am Flughafengebäude, warten schon die nächsten Students samt Eltern.
„Wir wars?“, fragen sie.
Wer die Low Pattern geflogen ist und warum der Flug nicht ganz reibungslos verlief – wie so ein Vogelschlag aussieht – das gibt’s bald im dritten Teil zu sehen. Bis dahin noch ein kleiner Hinweis auf meinen Shop, in dem man noch mehr Fotos vom Landetraining sehen und jetzt auch Fine Art Prints bestellen kann.
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