Das ist die Fortsetzung von „Gruppenarbeit im Fotojournalismus“
Wir sitzen im Haus von Susana, Maria Josés großen Schwester, welche zusammen mit einer Fotografin in einer Wohngemeinschaft wohnt.
Wenn man einmal durch die doppelten, dunkelblauen Gitter getreten ist, begrüßen einen rote und saftiggrüne Wände. Es gibt ein Bücherregal, unscheinbar steht es rechts an der Wand, gefüllt mit Kunstbildbänden über Design, Fotografie und Graffiti. Dadrauf trohnt eine alte Kiev, eine Mitttelformatkamera, und zeigt mit ihrem Objektiv direkt auf die Eingangstür.
Ich bin in einem Künstlerhaus gelandet, welches so an allen Orten der Welt zu finden sein könnte. Scheinbar ist auch das eine eigene Spezies, Künstler, Hostelreisende, Deutsche, Amerikaner, Ticos.
Genauso bunt wie die Wände und Bücher, die Stiftesammlung auf dem Tisch und die Teller im Küchenschrank, so bunt sind auch die Bewohner. Ein Haus ist wie ein Hund, es gleich sich seinem Herrchen an. Und wenn dieser Künstler ist, dann fügt es sich mit allen seinen Materialien.
Clara und Chancho begrüßen uns schwanzwedelnd, zumindest versuchen es beide, aber der Boxerrüde Chancho kann nur schlecht mithalten. Wie vielen Hunden hier wurde auch ihm der Schwanz gestutzt. Immerhin ist das bei den Pferden nicht in Mode.
Ich bekomme einen unfreiwilligen, feuchten Schlabberkuss. Er hat mich direkt ins Herz geschlossen, oder ich habe die Message falsch verstanden und ich soll ihn einfach nur zurück kuscheln. Meine Hand greift intuitiv an seinen Nacken und krault sein caramellbraunes Fell. Auch ein wenig als Abwehrhaltung, denn noch einen Kuss möchte ich nicht von ihm bekommen. Mein Kussempfangskontingent ist gefüllt, bis in sechs Wochen und ein bisschen.
Wir reden über das Kollektiv Plop, in dem sechs Künstler zusammen eine Präsentation aufführen werden. Es geht um Licht, um Sound und um Tanz.
Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam schaffen wir mehr!
Keine Angst davor haben, das Kunstwerk nicht alleine geschaffen zu haben, sondern die Kraft der Gruppe nutzen. Nicht nur in der Uni, auch danach.
Maria José, die mittlerweile Clara streichelt, befragt ihre Schwester zu ihrem Projekt, diese gestikuliert und erklärt begeistert; Mimik und Gestik.
Mein Rucksack liegt nicht weit, schnell zugreifen, herausziehen und das schwarze Guckloch ausrichten. So wie die Kiev, fix und unscheinbar auf mein Gegenüber richten. Ich habe Glück, Künstler sind offen und lassen sich ohne Widerworte fotografieren. Die ersten Bilder unseres Projektes sind soeben entstanden. Sie erzählt, wir folgen ihren Gedanken, stellen Fragen, bohren nach.
Was bedeutet das Kollektiv für sie?
Beim Fotografieren konzentriere ich mich und kann nicht mehr richtig zuhören. Das Spanisch klingt wie Musik im Hintergrund, einzelne Wörter nehme ich wahr. Ein Singsang aus Kunst, Inspiration und mehr, dazwischen das Fußgetrappel der aufgeregten Hunde auf dem dunklen Parkettboden.
Suzana redet und erklärt viel, sodass wir viel Material aufnehmen können.
Wir führen eine Stunde Interview, im stickigen Zimmer der Künstlerin.
Alle Fenster haben wir geschlossen, der Autolärm wäre sonst zu dominant und würde sich bei unseren Tonaufnahmen in den Vordergrund werfen. Wir schwitzen, Maria José fuchtelt mit dem Aufnahmegerät vor der Nase ihrer Schwester herum, ich turne im Hintergrund mit meiner Kamera und versuche meinen Eindruck dieser Person vor mir festzuhalten. Bei jedem Spiegelschlag, welcher sich in die Tonaufnahme beißt, schrecke ich selbst zurück.
Schluss, alles gehört, alles festgehalten.
Freiheit und Kunst im Tausch gegen Luxus und materielle Lebensqualität,
ist am Ende gleich unsichtbarer Luxus.
„Habt ihr Hunger?“, fragt uns Susana.
„Ja“, antworten wir und gemeinsam bereiten wir ein typisches costa-ricanisches Mittagessen vor.
Geduldet euch noch etwas 😉
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