Wenn man Menschen für eine unspektakuläre Aufgabe für die Uni fotografiert, dann möchte man sich auch irgendwie bedanken. Und was bietet sich da besser an, als selbst auch Modell zu stehen.
So kam es, dass ich gestern Abend als Gesichtsmodell für die Zeichenklasse von Alisa hergehalten habe. Zwei Stunden in einer Position auf einem Stuhl zu verharren ist nicht so leicht. Nach etwa einer halben Stunde melden sich die Rückenmuskeln, die nun doch ein Mal entspannt und bewegt werden möchten. Und man möchte mal etwas sagen, aber das geht nicht, weil gerade in diesem Moment der Mund gezeichnet wird.
Ich höre Tritte auf dem Dach. Was das wohl für ein Tier ist? Ich weiß es nicht, denn ich sollte den Kopf nicht drehen.
Ich nehme meine Umwelt wahr, aber kann nicht mit ihr interagieren.
Warum versetzen wir uns freiwillig in eine solche Lage? Eine Situation, in der wir nicht mit unserem Körper mit der Welt um uns herum agieren wollen?
Zum Beispiel wenn wir am PC sitzen und gedankenverloren neue Gedanken im Internet suchen. Dann vergisst man seinen Körper und beamt sich in eine andere körperlose Welt. Wenn man das regelmäßig tut, dann verliert man den Körper irgendwann und er gibt auf.
Wie lange es wohl noch dauern wird, bis wir den Körper nicht mehr zum umher geistern brauchen? Dann reist man auch nicht mehr im Flugzeug, sondern im Datenkabel. Bus- und Bahnfahrer werden einen Streik gegen Massenkündigungen und Arbeitslosigkeit beginnen – und verlieren. Sie werden ihren Körper auf die Couch setzen und in den TV eintauchen.
Wozu braucht man schon den Körper?
Außer zum Modell stehen für Fotos oder Zeichnungen.
Ohne Körper gäbe es auch keine Touristenfotos, nur Touristenmontagen, in denen Photoshop dem Menschen das Reisen ermöglicht. Ganz ohne Auto, nur mit Browser.
Ist der Browser das neue Auto?
Und wer reist dann eigentlich noch im Körper, um die Welt zu erleben?
Zu fühlen, zu schmecken, sich zu verirren, sich auf Neues einzulassen?
Irgendwer muss das doch tun.
Vielleicht wir.
Gracias, Alisa y sus estudiantes, para dibujarme y para regalarme dos horas de tiempo para pensar.
Danke, Alisa, dass ihr mich gezeichnet und mir zwei Stunden Zeit zum Denken geschenkt habt.