Im ersten Beitrag habe ich über das Brauchtum beim Schützenfest in Neuss berichtet, jetzt geht es in die Nacht hinein und bis zum nächsten Tag.
Vor der Kirmes geht es zum Fackelzug. Der startet zwar erst im Dunkeln, aber schon am frühen Abend rücken die Schützen die riesigen Wagen in Position und stellen sie in der korrekten Reihenfolge im Stadtzentrum auf. Dazwischen laufen die Schützen, mit Bier und Wasser, Gewehr und Fakeln. Und natürlich die Musiker mit ihren Instrumenten.
Dann geht es los!
Der Fackelzug schlängelte sich mehrere Stunden durch Neuss, begleitet von begeisterten Zurufen, dem Klatschen der Zuschauer und der Musik. Nach dem Umzug geht es traditionell zur Kirmes, zumindest für die Besucher.
Der Luftballonstand teilt Kirmes und Marktplatz. Und genau wie es den Kindern bei der Qual der Auswahl einer der bunten Schnüre geht, so fühle ich mich, wenn ich die XXL Stofftiere beim Losverkauf sehe. Soll ich ein Los kaufen? Denn auch wenn ich es kaum glauben kann, kann man sie wirklich gewinnen! Immer wieder sieht man sich Menschen mit überdimensionalen Tieren auf dem Arm durch das Getümmel quetschen.
Wie man wohl so eine Schlange trägt?
Wieder weiß meine Freundin Rat: „Das geht nur zu dritt! Eine Bekannte hat mal so eine gewonnen, da haben wir den ganzen Weg mit blockiert. Einer hat den Kopf gegriffen, einer den Rumpf und einer den Rest. Alle Kirmesbesucher mussten immer ausweichen, hihi.“
Meine beiden Freundinnen und ich schlendern weiter. Sie wollen auf ein Karussell, ich kaufe mir in der Zeit ein Kirmeseis.
Das ist Softeis im Waffelhörnchen, welches kurz in flüssige Schokolade getunkt und in einen leckeren Mantel gekleidet wird. Noch bevor ich mir Gedanken darüber machen kann, ob mir gleich eine Salmonellenvergiftung droht, muss ich mich um die schmelzende Masse kümmern. Ich habe nur noch Augen für die Tropfen und versuche sie daran zu hindern, auf meine Finger zu laufen. Obwohl ich darin recht erfolgreich bin, setze ich mich lieber auf eine Bank. Gleichzeitig Ausweichmanöver im Getümmel zu handeln ist zu schwierig und sowieso, Schokolade ist zu wertvoll, als dass sie zu Boden stürzen dürfte.
Eine ältere Dame setzt sich neben mich.
„Was macht das Schützenfest für sie aus?“, will ich wissen.
„Ja, also wissen Sie“, holt sie aus und lächelt, „ich bin hier aufgewachsen, ich bin jedes Jahr hier, seit meiner Geburt. Ich mag die vielen Menschen und die Kirmes. Ich mag es, alte Bekannte zu treffen… Aber von denen sind schon viele von uns gegangen.“
Ich schaffe es im letzten Moment, einen Eistropfen vor dem Absturz zu retten.
„Aber es sind so viele junge Leute dabei!“, findet sie aus ihrer Wehmut heraus, „das finde ich toll. Dann stirbt die Tradition nicht aus.“
Meine Freundinnen kommen mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zurück, ich verabschiede mich und wir gehen weiter, immer weiter, bis alle Schützen fort sind…, am nächsten Morgen wird schon um 7:50 Uhr der König für die große Parade aus seinen Gemächern gerufen.
Nach und nach füllen sich die Gassen der Stadt, die Schützen und Musiker sind trotz anstrengendem Vortag früh aufgestanden und haben sich in ihre blitzeblanken Uniformen gezwängt, denn auch am Sonntag ist wieder ein volles Programm angesagt. Wie die Schützen musste ich mich aus dem Bett quälen und habe das Gefühl, dass man ihnen die Müdigkeit weniger ansieht als mir.
Ich verstecke mich hinter meiner Kamera.
Bald geht es los, von morgens bis abends, mit Festumzug und Königsparade. Nein, pardon, erst die Königsparade und dann folgt der Festumzug.
Vor der Königsparade gibt es ein ökumenisches Morgenlob im Quirinus-Münster. Die Kirche ist gefüllt, einige Schützen warten auf dem Marktplatz.
Später unterhalte ich mich mit zwei jungen Jägern.
„Wir senken den Altersdurchschnitt der Alt-Herren-Veranstaltung“, grinsen sie, aber trotzdem sehe ich ihnen an, dass sie mit Leib uns Seele Schützen sind. Sie tragen sogar in der prallen Mittagssonne stolz ihre Jacke und natürlich den Hut, das gehört dazu.
Oft passiert es mir, dass ich beim Fotografieren an den Rand des Festes gelange. Dort, wo die Schützen sich ausruhen, um nach kurzer Pause wieder mit voller Kraft den Glanz und Stolz, den dieses Fest charakterisiert, präsentieren zu können.
Die Sonne knallt, die Instrumente blitzen und glänzen. Es bleibt mir quasi nichts anderes übrig, als sie zu fotografieren, sie ziehen mich magisch an.
Und tatsächlich, ohne Reiter und Musiker würde dem Zug etwas fehlen.
Die Schützenfestsaison, ja, so kann man das in Neuss nennen, beginnt bereits einige Monate vor dem Schützenfest. Die Neusser Vororte wechseln sich mit kleinen Festen ab und wenn man möchte, kann man jedes Wochenende Schützen bejubeln und feiern und Bier, Pommes und Kirmeseis verschlingen.
Die Musiker trainieren sogar schon vor diesen Festen in jeder freien Minute. Ich erinnere mich daran, dass kurz vor der Saison bereits Schützenklänge zu hören waren und einmal entdeckte ich auf einem Parkplatz in Alltagskleidung marschierende Trommler, Trompeter und Querflötenspieler.
Während ich mein Faible für Schellenbäume entdecke, verschwinden zwei Trommler schnell im Toilettenwagen. Wer viel trinkt, was man bei den Temperaturen unerlässlich ist, braucht zwischen einem mehrstündigem Marsch auch mal eine klitzekleine Pause.
Falls jemand diesen Herrn kennt, kann er mir gerne Bescheid geben. Ich würde zu gerne sein GoPro-Video sehen 😉
So viel von mir zum Schützenfest 2015 und bis zum nächsten Jahr.
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