Design Fachbereich für Ticas

Am zweiten Tag erkunden wir Dortmund. Da Tamara Kunst und Illustration und Gabriela Szenografie studiert hat, sind sie besonders an der Fakultät interessiert. Zuerst besuchen wir die Bibliothek, die die beiden am liebsten nicht mehr verlassen würden. So viele großartige Bücher auf einem Haufen, das haben sie noch nie gesehen. Die costa-ricanischen Bibliotheken sind im Vergleich hierzu etwas… antiquiert.
Infos über Künstler sucht man aus dem Internet.

Costa Rica-5Schließlich weist uns die Bibliothekarin freundlich drauf hin, dass die Bücherei gleich schließt. Ich übersetze den beiden die Info und sofort blättert Tamara noch hektischer in dem Buch über Blätter- und Pflanzenillustrationen und Gaby läuft verwirrt die Gänge auf und ab.
Pünktlich um drei müssen wir raus.
Aber selbst im FH-Garten gibt es viel zu entdecken, zum Beispiel Erikas. Die einzigen Blumen, die auch zu dieser schmuddeligen Jahreszeit eine andere Farbe als dunkelgrün mit ihrem ganzen Stolz tragen.
„Darf ich mir eine mitnehmen?“, fragt Tamara und schaut mich mit großen Augen an.
„Ja, kein Problem“, antworte ich. Andächtig knipst sie eine kleine Blüte ab und legt sie sorgfältig in ihr Portemonnaie. Vielleicht die Inspiration, für ihr nächstes Projekt.
Nachdem ich ihnen die restliche Fakultät gezeigt habe, verlassen wir das Bauhausgebäude.
„Wie gefällt euch der Baustil?“, frage ich sie, als wir auf der schmalen Brücke über die B1 gehen und einen Blick zurück werfen.

„Oh, ich weißt nicht“, Tamara verzieht zaghaft das Gesicht, sie scheint mich nicht kränken zu wollen. „Ich mag die Spielzeughäuser bei euch Richtung Wickede lieber. Mit den Gipfeldächern! Die sehen aus, wie aus einem Traum! Es scheint alles nicht real. Als ob das nicht echt wäre! Wie aus einem Film.“

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Als wir in die U-Bahn steigen wollen, rempelt ein Mann Tamara unvorsichtig an.
„Hey, lass‘ die Leute erstma‘ aussteigen!“, pampt er ihr hinterher, als ob das nicht reichen würde und eilt weiter.
„Sorry, aber die kommen aus Mittelamerika, die kennen die deutschen Regeln nicht!“, rufe ich ihm hinterher, dann treibe ich die perplexen Mädels in die Bahn, „schnell, sonst gehen die Türen zu.“
„Sowas ist mir noch nie passiert!“, entgegnet Tamara fassungslos, als wir in einem Viererabteil sitzen. Ich brauche seine Aussage nicht übersetzen, die Gestik war eindeutig.
„Ja, das sind die Deutschen… tut mir Leid, er meint das nicht so. Hat es wahrscheinlich eilig gehabt. Bei Bahnen muss man sich immer an den Rand der Türen stellen, da die Leute dort zuerst aus- und dann einsteigen. Bei Tico-Bussen ist das einfacher, da steigt man vorne ein und hinten aus. Hier gibt es unausgesprochene Regeln.“
Wir fahren bis zum U. Die Tatsache, dass das Museum früher eine Brauerei war, bringt den beiden wieder gute Laune. Sie lieben Bier. Deutsches Bier ist etwas ganz besonderes, beteuern sie immer wieder.
„Was heißt ‚StraBe'“, fragt mich Gabriela, als wir auf dem gepflasterten Platz auf eine Freundin warten. Sie hat ein wenig Deutsch in der Schule gelernt und erkennt hier und da Worte wieder.
„StraBe? Wo hast du das gesehen?“, frage ich zurück. Dann deutet sie auf ein Straßenschild, ‚Unionstraße‘ steht darauf. Das es Umlaute in der deutschen Sprache gibt, die die Spanier nicht benutzen, daran habe ich mich gewöhnt. Aber an das scharfe S hatte ich dabei noch nie gedacht.
Meine Freundin, auf die wir gewartet haben, kommt aus den Tiefen der U-Bahnstation.
„Das ist Leni, sie spricht auch Spanisch“, erkläre ich den beiden, denen ich ihre Ankunft schon angekündigt hatte.
„Wahhhh, aber das ist doch viel zu kalt“, rufen die Ticas bibbernd, als sie Lenis Outfit sehen: Sie trägt eine senffarbene Strumpfhose und darüber einen schwarzen Rock. Gestern hatte ich den beiden noch erklärt, was der Sinn eines Unterhemdes ist, und dass man das in die Hose stopfen muss, weil man sonst dessen Wirkung verfehlt. Trotzdem tragen die beiden zusätzlich zwei lange Unterhosen unter der Hose und mindestens vier T-Shirts, sowie drei paar Socken. Tamara zieht sich einen ihrer zwei Schals tiefer ins Gesicht.
Selbst als wir eine richtige Ruhrpott Currywurst essen, ziehen die beiden ihre Handschuhe nicht aus. Das Resultat: Wer noch nie mit Handschuhen gegessen hat, der landet in der Sauce.
Gestärkt betreten wir das Museum.
„Wow, ein echtes Cindy Sherman Bild!“, schwärmt Tamara, als wir vor ihrem Clown-Portrait stehen, „darüber habe ich schon so viel gelesen! Susan Sontag schreibt ja auch über sie.“
Wir schlendern noch durch das Museum, dann durch die Stadt und schließlich wieder zurück nach Hause, um dort richtig Abendbrot zu essen.
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Zwei Mal Brot an einem Tag, zum Frühstück und zum Abendessen, das würde einem Tico nie passieren.
Graubrot, Schwarzbrot, Käse, Leberwurst, Butter, Schinken, Salat. All die Lebensmittel, die ich in Costa Rica nicht auftreiben konnte und deren Fehlen auch nie jemand außer den Europäern bedauert hat, all diese Lebensmittel tischen mein Freund und ich auf. Die beiden genießen es. Dazu gibt es verschiedene Biersorten zum Probieren und Wein, der in Costa Rica unbezahlbar ist.