Der Deutsche Riese aus Dortmund

Ein neuer Text über die wohl größten Tiere Deutschlands. Naja, zumindest solche, von denen man das nicht gedacht hätte.

Den Text könnt ihr euch anhören und dabei die Fotos schauen oder selbst mitlesen.

Schritte nähern sich dem kleinen Raum, der direkt neben dem mintgrün gestrichenen Haupthaus liegt.
Normalerweise schmiegt er seine Ohren eng an den Körper, jetzt dreht er sie aber leicht nach vorne.
Seit einer halben Stunde lehnt er an der Holzwand, sodass die Haare seines braunen Felles, das sich so weich wie langhaariger Samt anfühlt, sternförmig nach außen drücken und in dieser Position verharren.
Vermutlich alles in Ordnung da draußen – wie immer, seit er hier wohnt.

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Das Stroh pickst und stippst, wenn er sich bewegt – und es duftet.

Menschen tragen Schuhe. Denn obwohl ihre Füße nicht so flauschig, vielmehr alle Ecken von ledriger Hornhaut ummantelt sind, sind sie deutlich empfindlicher, als die Protzpfoten unseres Riesen. Er mag seinen Quadratmeter Stroh. Dort kann er knabbern und die Stengel dann so zurechtlegen, wie es ihm gefällt. Berge frischen Strohs umgeben den knapp zehn Kilo schweren Riesen.

Er hockt in der Ecke und träumt.
Vielleicht von dem riesigen Löwenzahnblatt, welches er vor drei Tagen noch gefressen hat, oder von der goldgelben Blüte, die aus dem Unkraut hinaus gewachsen war und welche er gerne seiner Freundin geschenkt hätte. Er hätte den Stengel wie ein Cavalier gefällt, ins Maul genommen und der Weißen vor die Füße gelegt.
Goldgelb war die kugelrunde Blüte, wie die Sonne da draußen hinter dem Fenster, die sich gerade rötlich verfärbt. Leuchtender als das Stroh unter seinen samtigen Pfoten.
Zur täglichen Pflege neigt er seinen faustgroßen Kopf zunächst nach links, dann nach rechts, um mit der rauen Zunge den Dreck aus dem Fell zu lösen. Zur Zeit fast unnötig, denn sein Quartier ist immer sauber. Trotzdem würde er sich über Menschenhände, die den Staub hinausstreicheln, freuen.
Jetzt sitzt er also da – alles ist in Ordnung. Oder?

Andere Karnickel haben winzige zeigefingergroße Ohren, die würden diese Schritte draußen bestimmt gar nicht hören.
Er aber schon – schließlich ist er ein Riese.
Tellergroße Lauscher darf er sein Eigen nennen. Speisetellergroße Ohren, deren Ränder nach innen gerollt sind, um den Schall noch besser auffangen und zwischen der Haut, welche von Äderchen gespickt ist, hin- und herzuwerfen.
Wären seine Lauscher nicht an den Seiten eingerollt, könnte er sie nicht in jede Richtung drehen. Ständig würde er mit den Tellern hängen bleiben. Er würde nicht einmal zur Löwenzahnblüte vordringen können – er würde sie mitreißen, zerstören.
Nein, das wäre nicht gut.
Es ist gut so, wie es ist.
Alles in Ordnung …

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Die Schritte sind kurz vor der Zimmertür verklungen. Es müssen zwei Personen gewesen sein, die näher gekommen sind, denn ihre Stimmen klingen leise durch die Tür. Jetzt hört er die Mäuse Hugo der Nackidei und Boss der Hübsche, die im Stall nebenan in der Dämmerung so langsam zum Leben erwachen.

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Dass er zum Fressen gezüchtet wurde, dass weiß er nicht. Auch nicht, dass es Züchter gibt, die seine Artgenossen stolz in die Höhe halten. Ja, sie kaum halten können, weil die Riesen so prächtig und füllig sind, wie ein Maine-Coon Kater. Auf den Fotos strecken seine Brüder und Schwestern die Füße zur Kamera, um die Orientierung in der Luft baumelnd nicht zu verlieren. Mit ihnen wird weiter gezüchtet, um noch riesigere Monster hervorzubringen.
Was geschieht? Löwenzahn?

Aber das weiß unser Riese nicht, denn er sitzt nicht bei einem Züchter.
Auch nicht bei einer Familie, die ihm bei der Pflege seines Langhaarsamtes unter die Pfoten greifen könnte.
Er sitzt neben den Mäusen und ein paar anderen Nagern im Kleintierbereich und wartet auf
seine weiße Geliebte,
den Löwenzahn und
jemanden, der ihn streichelt.

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Der kleine Pfundskerl sitzt im Tierheim Dortmund und wartet auf ein neues Zuhause mit großem Auslauf.

 

Hier noch zwei Youtube-Videos zu Riesenkaninchen:
Der Belgier Hektor – 12 kg schwer, 60 cm lang und natürlich mit riesiger Schnüffelnase. Sieben Mal so groß wie ein Zwergkaninchen!

 

Und hier seht ihr Jeffrey, Darius und ihre Crew: