Costa Rica gewinnt die WM 2014

Wenn man etwas will, dann schafft man es auch!

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Tico Fußballfans drängen sich vor die Fernseher einer Bar, da werden sogar die Gleise vergessen. Das Costa Rica die WM 2014 gewinnt ist eine wackelige These, aber man soll ja bekanntlich nie nie sagen.
Etwas wollen und sich dafür einsetzen, das ist eine meiner Erkenntnisse aus dem Auslandssemester.
Ich wollte es, habe mich dafür eingesetzt und jetzt sitze ich hier. Ganz ohne Partnerschaft zwischen den Unis, einfach so, weil ich mich für Costa Rica entschieden habe und alles dafür gab. Jetzt ist die Frage, ob diese Theorie auch funktioniert, wenn da draußen etliche andere sind, die das gleiche von sich glauben, es auch unendlich wollen, aber am Ende nur einer gewinnen kann. Ja genau, ich spreche vom Fußball.

Das ist wie mit den Fotos, die Heidi verteilt. Nur eine kann im Finale durch die Mitte laufen und ein Bild von sich erhalten.

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Falsch!Sie sollte mal nach Costa Rica kommen, hier wird gefeiert, bis die Straßen verstopft sind und die Hupen aufgeben. Und jedes Mädchen bekommt ein (Handy)Foto von sich, mit blau-weiß-roter Fahne auf der Wange und schickem T-Shirt. Diese Weltmeisterschaft ist ein Highlight für alle Ticos!

Die Meisterschaft der Feiermeister!

Und sie feiern nicht zu unrecht.
Bisher stellt sich dieses kleine Land, welches ich zur Zeit mein Zuhause nenne, wirklich sehr geschickt an. Wahrscheinlich sind die Spieler so enthusiastisch und patriotisch wie das ganze Volk. Auf dem Feld überzeugen sie den Ball jede Runde auf’s Neue davon, ins Tor gejubelt und geköpft werden zu wollen.

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„Sí, se puede!“ – „Ja, wir schaffen das!“
gröhlt es erst rechts von mir, dann links, dann vorne, dann zweimal von hinten rechts. Ich bin umzingelt von begeisterten Ticos. Sie reißen die Arme in die Luft und tragen stolz ihre Trikots.
Alle Altersklassen sind vertreten, besonders aber Studenten, die sich heute wohl pünktlich zum Anpfiff aus ihren Vorlesungen geschlichen haben. Es ist Freitag, 10 Uhr morgens, die Spannung steigt. Meine Kommilitonen haben sich in und vor den Bars in der Calle de Amargura, der Party- und Einkaufsstraße vor der Universidad de Costa Rica, versammelt.
Alle starren gebannt auf den Bildschirm. Zwei Mädels stellen sich auf Zehenspitzen, um auch einen Blick auf den über die grüne Fläche hüpfenden weißen Punkt werfen zu können. Der Punkt ist immer umzingelt von rot-weißen Pixelmännchen, wird von ihnen gejagt und in verschiedene Ecken des Feldes getrieben.
Jedes Lokal verfügt über mindestens einen, meist gleich drei Flachbildschirme, die an unterschiedlichen Wänden in verschiedenen Winkeln montiert sind. Ich vermute, dass einige davon extra für die WM angeschafft wurden.
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„GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOL!“
Kurz vor der Halbzeit ist es dann so weit, das erste Tor fällt.
Bums!
Nein, vielmehr fliegt der Ball ins Tor, das Tor selbst bleibt stehen. Kein anderer Sachverhalt hätte die Ticos zu gleichen euphorischen Schreien verleitet. Mittlerweile habe ich mich auf den Uni Campus begeben, der so leer gefegt ist, wie es eigentlich nur sonntags der Fall sein kann. Einige Ecken beben jedoch. Im Journalismus Fachbereichsgebäude wurde eine kleine Leinwand aufgestellt und die Treppenstufen vor dem Eingang wurden zur Tribune umgewandelt. Hier herrscht Stimmung, Studenten feiern mit Mitarbeitern der UCR die erfolgreiche erste Halbzeit und fiebern der nächsten entgegen.

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Glücklich geht es also in die Pause und ich wandere wieder zurück zur Partymeile, um dort die Stimmung zu fühlen.
Schon von weitem hallen mir Rufe und Jubelschreie entgegen. Wie der Campus hat sich auch die sonst lebhafte Straße stark verändert, vor jeder Bar oder Soda (Geschäft, in dem man günstig zu mittag essen kann) steht eine Traube aus Menschen. Alle gehören sie zu der rot-weiß-blauen Art. Warum sie nicht eintreten? Weil die Innenräume der Bars bis zum Rande mit Menschen überfüllt sind. Die angespannte Stimmung gleitet durch die Tür und wird durch die ganze Straße getragen.
Nun heisst es weitere 45 Minuten zittern, unterbrochen von Raunen und Freudensmomenten. Fußball ist eben Fußball und auf der ganzen Welt ein wenig gleich. Er zieht die Menschen in seinen Bann und verändert ihren Zustand ins
Unermessliche.
Dann passiert das Unvergessliche:

Costa Rica gewinnt gegen Italien!
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Die nun tobende Masse war schon kurz vor Abpfiff in größter Aufregung. Doch als der grelle Pfiff ertönt, den man durch die lärmende Masse nur erahnen kann, geraten alle völlig außer sich und es geschehen Dinge, die sich in einem Leben ohne Fußball niemals abspielen würden: 
– Ein junger Mann reißt sich seine Kleider vom Leib und dreht im wilden Galopp drei Runden um seine rot-blau-weiße Truppe.
– Zwei Mädchen springen sich an, brechen fast in Tränen aus, umarmen sich.
– Ein Busfahrer muss sein Fahrtziel neu kalkulieren, denn an ein Durchkommen ist nicht mehr zu denken, er hupt aus Freude.
– Studenten laufen Fahnen schwenkend in jede Kamera, die sie finden können.
– Deutschland, vertreten durch „Hamburg Süd“, steckt auf der Hauptstraße fest, der Fahrer des Kontainer-Lastwagens nimmt es gelassen.

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Ein Viertel der Menschen nimmt die Umgebung durch ihr Handy wahr, bereit, das Wunder von Ticoland mit der großen, weiten Welt zu teilen. Vermutlich bin ich nun mindestens elf mal mit meiner Kamera irgendwo in facebook zu sehen. „Hallo kalifornische Datenspeicher, wir feiern Costa Rica!“

Zum richtigen Fandasein gehört natürlich auch das richtige Equipment und da sind die Ticos genau so gut ausgestattet, wie Europäer und andere Fußballnationen. Fast alle konnten bereits ein rot-blau-weißes Trikot an einem der Straßenstände erstehen und sich zusätzlich für Fahnen, Kappen oder Tröten entscheiden.

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Die Tröten tröten.
Wer die größte Trommel hat, hat gewonnen.
„Sí, se pudo!“ – „Ja, wir haben es geschafft!“
gefolgt von
„Ticoooooooooooo!“
Das ganze Leben hier ist patriotisch und es steckt an. Auch ich war schon bei „TicoBurguesas“ Hamburger essen oder habe in der „Ticotimes“ die Nachrichten gelesen. Warum dann nicht noch als Körnung die Nationalität schreien? Macht man so etwas in Deutschland?
Alle jubeln, alle drehen durch.
Armes Italien. (Sorry Filippo… Aber du hättest eben doch auf Costa Rica setzen sollen!)
Was wird wohl Morgen aus „Schlaaaaaaand“?

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Aus den Trauben bildet sich eine Traubenkette, welche sich die vierspurige Hauptstraße entlang Richtung Innenstadt schlängelt. Für Autos ist kein Durchkommen ins Sicht, genau wie damals bei den Wahlen. Alle Menschen sind auf der Straße: Der grauhaarige Apotheker samt Mädelstruppe, die schicken Bankangestellten auf Highheels, alle Mitarbeiter der Shoppingmall und wohl alle Polizisten San Josés.

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Der besagte grauhaarige Apotheker feiert mit und hält stolz einen Zipfel der Fahne.

Allerdings ist das Polizeiaufgebot längst nicht mit dem zu vergleichen, welches ich aus meiner Studienstadt Dortmund kenne. Dort bekommt man als unverkleideter Mensch glatt Panik, wenn man das riesige Aufgebot im Hauptbahnhof sieht. In Hamburg ging es mir nicht anders, lediglich mit dem Unterschied, das dort die Polizeimassen mit panzerähnlichen Gefährten bei den zahlreichen Demonstrationen eingesetzt werden.
In Costa Rica gibt es kein Militär und auch die Polizei ist wesentlich weniger präsent.
Die Ticos feiern, liegen sich in den Armen und sind überglücklich. Ab und zu riecht man ein wenig Gras, dafür gibt es außerhalb der Kneipen fast kein Bier. Ich habe niemanden getroffen, der sich mit Hilfe der gelben Flüssigkeit hemmungslos in einen anderen Zustand versetzt hat. Da sieht das bei deutschen Fußballfans schon anders aus, eine andere
Feierkultur.
Man muss sich eben zwischen grün und gelb entscheiden (nein, nicht Borussia und Borussia). Das ist wie schwarz und weiß oder wie Italien und Costa Rica. Nur das bei den letzten beiden wohl erstmal beide weiter kommen.
Irgendwie erinnert mich das ganze ein wenig an die Präsidentenwahl, da liefen auch alle Ticos begeistert und Fahnen schweifend durch die Stadt. Entbrennt ein Tico einmal für eine Sache, ist er nicht mehr aufzuhalten. Wie man feiert, dass wissen die Costaricaner und vielleicht wusste das auch der Ball und hat sich deshalb ins Tor gedrückt.
Herzlichen Glückwunsch Costa Rica!
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Aufgeregt laufe ich nach Hause.
Völlig verrückt, das habe ich noch nicht erlebt, beim Sieg eines Spiels von vielen.
So viel Begeisterung und Freude,
so viel Glück,
so viel Hupen und
wirklich niemand ist böse.

Nicht einmal Hamburg Süd.

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Hamburg wird der Weg zum Hafen gezeigt, ist aber noch ein bisschen, San José liegt doch nicht am Meer.

Mir kommt Matthias entgegen.
Auch er ist ein wenig ergriffen und wir grinsen, denn schon vor unserem Haus lassen sich die lauten Jubelrufe der circa 400 m entfernten Hauptstraße hören. Da wir überwältigt von der Situation sind, sprechen wir Deutsch, das geht einfach schneller. Wir haben irgendwie beide nicht dran gedacht, dass Costa Rica gegen Italien eine Chance hat und nun sind wir umso mehr verblüfft und begeistert.
Vielleicht ist es neben dem Können ja doch der Wille, kombiniert mit der Unterstützung der Nation, die die Mannschaft so weit bringt.

Matthias geht zielstrebig los, bereit den Menschenfluss zu durchqueren. Er muss zu eben dieser Uni, die vorhin wie leer gefegt war. Ich schaue ihn ungläubig an:„Da geht doch jetzt sowieso niemand zum Kurs!“…

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Und ich hoffe, dass das auch auf mein Buch zutrifft, die Hälfte ist fast geschafft!
Vielen Dank für den Support, Thomas Völkner!