Wie ich durch Rumänien reise

Heute ein Textbild
Es handelt von meiner Ankunft in Bukarest, meinem ersten Hostel in Rumänien und den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg ins Tierheim in Câmpulung.
(einige Fotos vom Tierheim für alle Bildermenschen)
Viel Spaß 😉

 

Es ist jedes Mal aufregend alleine zu reisen. Auch wenn ich das schon einige Male gemacht habe, schlafe ich in der Nacht vor dem Abflug dürftig.
Ob das alles klappt, wie ich das so richtig deutsch und dazu sparsam geplant habe? Günstige Unterkünfte finden, auf Taxis und Chauffeure verzichten und die Verkehrsmittel der Einheimischen wählen… Naja, ein Bus hat auch einen Chauffeur, stimmt ja. Aber dazu später mehr.


Ich nehme den Flughafenbus in die Stadt und laufe einige Meter vom Nordbahnhof zu Fuß zum Hostel. Ich finde die Türklingel nicht, suche die Tür ab und drücke auf allen knopfähnlichen Elemente. Schließlich, der Druck auf einen blauen Kreis lässt einen Ton erklingen, ein junger Mann öffnet zaghaft die Tür und schaut mich verwundert an. Meine Reservierung für den Schlafsaal scheint nicht angekommen zu sein. Aber alles halb so wild, er ist der Sohn der Besitzerin des Hostels und führt mich in einen kleinen Raum, in dem drei Hochbetten stehen und ein älterer Herr in einem Bett schnarcht. Ein Lichtspalt aus dem Flur beleuchtet das winzige Zimmer, in der hinteren Ecke bleibt es duster. Das Bett am Ende des Raumes ist so klein, dass ich mich nicht einmal ausstrecken könnte. Dann schaue ich zum schlafenden Mann. Er nuschelt etwas und dreht sich mit dem Rücken zu uns, zieht seine Decke nach. „You can choose a bed“, erklärt mir der junge Mann, lächelt und lässt mich mit meinem Koffer alleine. „You can turn on the light“, sagt der Mensch im Bett neben mir mit einem starken britischen Akzent, als ich meinen Koffer anhebe und vor eines der Hochbetten schiebe. Ich lehne dankend ab, ist schon hell genug, und lasse mich schwerfällig auf das Bett fallen. Geschafft, ich bin in Bucharest! Es klopft an der Tür. „Ich habe mit meiner Mutter gesprochen“, erklärt der junge Mann von eben, er ist kaum älter als ich, „Sie sagte, dass das Doppelzimmer doch sowieso frei sei und du da übernachten könntest.“ „Oh, wow! Aber…“, ich schau die beiden Männer an. „No, go there, it’s okay for me, don’t worry! We will meet tomorrow“, räuspert sich der ältere Mann, der sich nun wieder zu uns gedreht hat. Er fügt noch eine Entschuldigung hinzu, dass er schon im Pyjama sei. „Natürlich ist das nicht teurer, das Zimmer ist doch sowieso frei“, deutet der junge Mann meinen Blick. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, ziehe meinen Koffer wieder aus der Ecke hervor und beschlagnahme das Doppelzimmer nebenan. Privatzimmer! Wieder lasse ich mich auf das Bett fallen, diesmal bleibe ich ungestört und schlafe sofort ein. In der Nacht attackiert mich eine Mücke, die ich trotz meiner in Costa Rica neu gewonnenen Fubie nicht ermorde – ich bin zu müde. Als Strafe sehe ich am nächsten Tag im Gesicht wie ein Streuselkuchen aus, in den sich Preiselbeeren verirrt haben. Vielleicht sollte ich weniger Schokolade essen, dann würden die Biester mein Blut sicherlich nicht als solche Delikatesse sehen.

 

Invasion. Cars already stop when you only think about crossing a road. Friendly!

 

Ein von Manuela Doerr (@photo_manu) gepostetes Foto am

Als Entschädigung gibt es ein traditionelles Frühstück, auf welches ich bei meiner Buchung aus Kostengründen eigentlich verzichtet hatte.
„Ohne Frühstück? Bei uns gibt es aber doch immer Frühstück! Ohne geht das nicht!“, erklärt mir die Chefin, als sie mir persönlich den Kaffee aufbrüht, mich an den gemütlichen Familientisch in der Küche bittet, selbst gekochte Pflaumenmarmelade und kernige Minitrauben aus der Region präsentiert. Ich setze mich; mir bleibt nichts anderes übrig.
„So wie in Deutschland! Dort gibt es auch immer so hartes Brot“, erklärt mir die Frau des italienischen Ehepaares, das zu meiner linken sitzt, als sie ein Stück von ebenfalls hartem rumänischen Brot absäbelt.
„Yes, that’s true!“, beteuert der Brite von gestern, der nun links neben mir sitzt,“but it’s healthy.“
Er reist durch Osteuropa, alles per Bahn. Geographielehrer war er und jetzt bringt er anderen seine sehr britische Lebensweise näher. Soso!

„Hast du eine Mütze? Und Handschuhe? Die wirst du da oben brauchen und du solltest sie hier in der Stadt kaufen! Da oben wirst du nicht fündig werden!“, erinnert mich meine 1-Tages Ziehmutter, als ich auschecke. Zum Glück hatte ich im letzten Moment zu Hause in mein 10 kg schweres Handgepäck noch eine Wollmütze gestopft.
10 kg… alleine die Fotoausrüstung und der Laptop wiegen schon bestimmt 6 kg – gutes Glas ist schwer – und dann noch das Gewicht vom Koffer selbst… Einmal werde ich bei der Reise wohl meine Waschmethode anwenden müssen. Aber so etwas lernt man zum Glück im Auslandssemester.

Ich ruckele meinen Koffer hinter mir her zum Verkaufsschalter und schaffe es völlig sprachlos mit Händen und Füßen ein Ticket für den Bus zum Busbahnhof zu erstehen: 28 min Fahrt für circa 50 Cent. Ich steige ein in den Bus Nummer 62 und schon bald weiß ich, was die Hostelmutter damit meinte, dass ich doch die Metro nehmen solle, das wäre einfacher. Im Bus wird kein Stationsname genannt und an den Haltestellen kann ich auch nichts ablesen. Keine Chance herauszufinden, wann ich aussteigen muss. Selbst die Zeitangabe der Ankunft ist nicht verlässlich, immer wieder versperren LKW den Weg und verzögern die Weiterfahrt.
Ich schaue durch das Fenster – ein bisschen mehr Müll als in Georgien liegt an den Straßenrändern, es gibt viel mehr Hochhäuser, mehr Coca Cola Werbung, aber einige moderne Autos. Viele Menschen transportieren ihr Gepäck in großen karierten Plastiktaschen.
Werde ich jemals an meinem Ziel kommen?, frage ich mich, als die Gebäude draußen immer höher werden, zehn Stockwerke, zwölf… immer bedrohlicher der Putz abblättert.
Was tun? Die Einheimischen fragen, das ist die Komplettlösung bei jedem Auslandsaufenthalt. Natürlich ist der Busfahrer hilfsbereit und klopft wild an die Scheibe, als meine Haltestelle gekommen zu sein scheint. Ich steige aus und bedanke mich mit dem einzigen rumänischen Wort, das ich mittlerweile gelernt habe: Mulțumesc!

Ich überquere eine dreispurige Doppelkreuzung mit mehreren Auffahrten und kaufe beim Busfahrer für den Überlandbus, einen modernen Reisebus, ein Ticket. Abfahrt ist erst in einer halben Stunde.
Eine rumänische Frau setzt sich auf die Sitzbank vor mir, dreht sich um und beginnt auf mich einzureden, kramt Tempos aus ihrer Handtasche, räumt die Tasche und eine Tüte auf die Sitzbank vor mir und verschwindet. Ich glaube „toleti“ verstanden zu haben.
Sie hat nicht gemerkt, das ich kein Wort verstanden habe und hat mir einfach alles anvertraut!
Vor meiner Reise hatte ich enorme Angst vor Taschendieben, in Deutschland denkt man zuerst an Zigeuner, wenn jemand von Rumänien spricht. Ich trage meine Wertsachen eng an mir und würde sie nicht für eine Sekunde aus den Augen lassen. Sogar meinen Koffer habe ich mit in das Innere des Reisebusses geschleppt und auf den Sitz neben mich gezerrt. Und jetzt habe ich die Verantwortung für eine weitere Tasche: Eine Handtasche, mit Wertsachen, vielleicht mit Schmuck, Portemonnaie und Smartphone!
Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken, denn eine weitere Frau, etwas jünger und mit Kleinkind auf dem Arm, wirft ihre schwarze Ledertasche auf die Sitzbank schräg gegenüber, flüstert mir etwas zu, dreht sich um, geht.

Nennt mich Taschensitter!
In Costa Rica wäre längst alles gestohlen. Oder sagen wir, das mir dort niemals ein Fremder etwas anvertraut hätte. Kurz bevor der Bus sich in Bewegung setzt, klettern die Frauen wieder die Stufen hoch, bedanken sich und besetzen ihre reservierten Plätze.
So weit habe ich es geschafft, ich bin am Busbahnhof angekommen und werde nun zur Abenddämmerung kurz vor Transsilvanien aussteigen und am nächsten Tag 1.000 Hunde fotografieren.

Wir fahren nach Câmpulung!

—– Lidl – – – Ein von Manuela Doerr (@photo_manu) gepostetes Foto am