Ostern und das Pferd

Familie, das ist mit das wichtigste, was es gibt.

Deshalb fährt auch María mit ihrer Tochter und Manschis über die Osterwoche zu ihrer anderen Tochter ins 135 km entfernte San Isidro. Ihr Vater ist diese Strecke damals zu Fuß gelaufen, zwei Tage soll er gebraucht haben. Es geht über den „Correo de la Muerte“, den Todespostweg, welcher nicht umsonst seinen Namen trägt. Später mehr hierzu.

San Isidro Manuela Doerr-8Bunte Dekoration und Co zuhause?
Nein, da habe ich mich geirrt. Bis auf ein Holzkreuz mit einem violetten Schal, welches die 40 Tage des Fastens und Betens vor dem heiligen Fest in jedem Haushalt aufgestellt wird, kann ich kaum etwas außergewöhnliches finden. In diesen knappen sechs Wochen wird Mittwochs und Freitags kein Fleisch gegessen, berichtet María. Ich erzähle ihr von der deutschen Fastenzeit, dem Verzicht auf etwas gern gemochtes, z. B. Süßes oder auch das gesamte Essen.

Auf die Osterzeit deutet eine kleine Broschüre hin, die auf dem Küchentisch liegt.
Jeder Tag der „Semana Santa“, also der heiligen Woche, ist darin beschrieben.

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Ein wenig Ostern habe ich jedoch aus Deutschland mitgebracht. Für mich gehört zu dem Fest einfach ein Osternest mit Osteiern dazu. Leider hatte ich keine gefärbten Eier, aber Schokoeier sind ja schon einmal ein guter Schritt in die richtige Richtung. Olivia, Marías Enkelin, hat zielsicher sofort den Osterhasen geschnappt und aus seiner Verpackung befreit.

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Genau so wie das Osterfest hat mich aber auch die Natur beeindruckt.
Die Finca befindet sich in jenem Costa Rica, welches ich aus meinen Reiseführern kenne. Mit dunklen, begrünten Bergen im Hintergrund und exotischen Planzen direkt vor meiner Nase. Dazu 35 Kühe, ein Stier mit baumstammdicken Beinen, Kälber, ein Pferd, Hühner und vier Hunde, welche die Landschaft in jeder Sekunde neu gestalten und verändern.

Den ganzen Samstag haben wir nichts gemacht, das war herrlich. Ich glaube, es war der erste Tag in diesem Jahr, wo ich einfach nur etwas gekocht, gespült und gelesen habe. Danke Judith Schalansky und Dennis Gastmann, dass ihr meinen Tag mitgestaltet und mich für eine kurze Zeit aus Costa Rica raus nach Europa geholt habt.

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Natürlich musste ich zwischendurch auch einmal meine Kamera in die Hand nehmen, zum Beispiel als eine Regenschauer herunter kam und das Pferd sogar dazu gebracht hat, einmal über die Weide zu galoppieren. Das Pferd hat übrigens keinen Namen und es interessiert die vier Frauen im Haus noch weniger als die Kühe oder gar die Hühner im Stall. Während ein Pferd bei uns ein Freund sein kann, wie ein Hund oder eine Katze, oder aber ein Pony der Traum vieler kleinen Mädchen ist, interessiert sich hier wirklich niemand für die hübsche Falbstute.
„Kann man sie denn reiten?“, frage ich Patricia. „Das weiss ich nicht, Manuela“, kommt da leicht genervt zurück.
Sicherlich würde ich auch so reagieren, wenn jemand mich zum zehnten Mal etwas über die Hummeln im Garten meiner Eltern fragen würde. Wie sie denn heißen würden und ob ich sie schon einmal gestreichelt hätte…

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Einmal habe ich versucht, mich dem Tier zu nähern, aber es hat sich entweder überhaupt nicht für mich interessiert, oder hat langsam aber sicher die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen. Ziemlich schlecht zum Fotografieren mit einer 28 mm Brennweite. Auf die Weide zu den Rindern klettern wollte ich dann doch lieber nicht.
Letztendlich waren die Kälber viel interessierter an meiner merkwürdig klickenden Kamera und haben wenigstens einmal den Kopf gehoben und geschaut, warum ich denn da durch das Gestrüpp kraxele.

Einen Sattel, eine Trense oder gar ein Halfter habe ich nirgendwo finden können. Wofür das Pferd wohl hier lebt, wenn keiner etwas mit ihm macht, es „benutzt“ oder überhaupt etwas darüber weiß. Wie ein Schmarotzer lebt es zwischen den Kühen, die wenigstens irgendwann ihr Fleisch für den Menschen opfern, nur bisher noch nichts davon wissen. Pferdefleisch wird hier nicht verzehrt, also wird die Stute weiter über die weiten Weiden laufen und ein wundervolles Leben führen.

Herzlichen Glückwunsch, Pferd!