Lichterketten in der Ostermesse

In der Kirche sitzen 100 Menschen und es werden immer mehr. Von allen Seiten strömen sie herbei, wie ein Regenschwall, der langsam eine Pfütze zu einem Teich werden lässt. Nach und nach füllt sich der Saal, während die Akteure auf der Bühne ihr Programm zelebrieren.

Auch wir fahren erst um 15 Uhr zu Hause ab, obwohl die heilige Messe schon zu diesem Zeitpunkt beginnt. Eine viertel Stunde später treffen wir am Geschehen ein.
Olivia, die Enkelin Marías, María selbst, Patricia und ich betreten die Iglesia de San Isidro durch die Seitentür. Die hochglänzend lackierte Oberfläche der Holzbänke spiegelt den Himmel von draußen wieder. Die großen Tore des Kirchenschiffes sind weit geöffnet, das Haus scheint jedem offen zu stehen. Von der Straße kann man in das helle Innere sehen und dementsprechend auch von innen hinaus auf die Straße. Autos hupen, eine Gruppe von Personen lacht, Kinder laufen umher, der erfrischende Wind weht neue Menschen in das Gebäude.

Kirche Costa Rica Manuela Doerr-1

Ein Priester steht am Pult schräg vor dem Altar und redet auf die Gemeinde ein. Der mittelmäßigen Akustik geschuldet, verstehe ich nicht wirklich viel und lasse deshalb die Atmosphäre auf mich wirken. In der Kirche befinden sich schätzungsweise 100 Menschen, in jeder Bank stehen zwei bis drei Leute, die meisten im Alter zwischen 20 und 50. Sie lauschen gespannt den durch die Lautsprecher krackenden Worten des Priesters.
Wie von einem Künstler angeordnet stehen sie dort in den rotbraunen Bänken, wie bunte Farbtupfer mit schwarzbraunen Haaren, vor den hellen Wänden. Ihre farbige Kleidung und Haut wird von den Lichtstrahlen erleuchtet. Die Fenster sind groß und hell. Moderne blaue, braune und gelbe Glasstücke tauchen die Halle in ein angenehmes warmes Licht.

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Die Messe ist bis ins kleinste Detail geplant. Eine Frau liest einen Text, dann übernimmt in sekundenschnelle ein Mann von einem anderen Mikrofon aus, zwischendurch erklärt ein dritter Sprecher der Gemeinde, was zu tun ist:“A pie, a rodillas…“ (Hinstellen, Hinknien…).
Drei Personen, darunter auch der Monsignore, lesen die Ostergeschichte vor. Jeder übernimmt dabei eine Rolle, sodass nur noch die entsprechenden Bewegungen der Personen gefehlt hätten, um das Theaterstück zu komplettieren. Draußen gewittert es, Wolken ziehen auf, aber kein Tropfen Regen fällt vom Himmel. Gemeinsam mit der lauschenden Gemeinde und den lauten Stimmen aus den Lautsprechern entsteht eine mystische Stimmung. Der Kaplan, welcher die Textstellen von Jesus übernimmt, vertritt seine Rolle enthusiastisch und blüht vollkommen auf.
„A rodillas!“, tönt es aus den Boxen, die Gemeinde bewegt sich.
Es folgen Worten des Monsignore. Aber wo ist er hin? Eben stand er doch noch hinter dem Altar und las seinen Part aus dem von Messdienern gehaltenen Buch vor. Meine Augen suchen die Bühne ab, ich habe ihn entdeckt. Er steht nun vorne links, scheinbar ist er dorthin geflogen.

Kirche Costa Rica Manuela Doerr-2

5:50 Uhr, María gibt mir ein Zeichen, dass wir nun gehen würden. Mittlerweile steht die Sonne so tief, dass die Lichtstrahlen nicht mehr durch die großen Fenster reichen. Das Licht in der Kirche wird eingeschaltet und taucht den Raum in ein künstlicheres Licht. Die Flammen der blauen Lichterkette entfalten nun noch stärker ihre Wirkung und springen von Leuchte zu Leuchte.

Die Schlange vor dem Kreuz scheint sich nicht verkürzt zu haben, immer mehr Menschen stehen geduldig an, um ebenfalls beten zu dürfen. María trägt Olivia, die sich verschlafen die kleinen Augen reibt und sich leicht irritiert umschaut. Wir gehen zurück zum Auto.

Wie lange die Menschen wohl dort noch verweilen und weiter die Messe feiern, der Musik lauschen und vielleicht auch die Lichterkette beobachten?